Samstag, 5. März 2011

Zwergenland - kein Ausstieg

Karneval ist schon reichlich albern. Mitunter auch absurd. Aber wie absurd, das zeigt der foglende Erlebnisbericht aus einer Stadt in Westfalen. Pflichbewusst, wie man dort nun einmal ist, wurde für einen Abend das Gehölz aus dem Rektum entfernt, Jack Wolfskin - Jacke gegen Enten- oder Feuerwehrmannkostüm getauscht.
Klingt erstmal recht langweilig. Karneval. Pffft.
Solange bis man Zwergenland (der zwergische Name wäre unaussprechlich, daher dieser unkreative Platzhalter), das Königreich der Zwerge betritt. Ja, genau: Zwerge! Ich sagte ja bereits, dass Karneval durchaus auch absurd sein kann.
Der Abend begann jedenfalls so:
Da ich zunächst mit dem Zug anreisen musste, wurde ich dann von der Feiergemeinschaft im mondänen Cabriolet vom Bahnhof abgeholt. Natürlich allesamt kostümiert ging es dann auf eine Tour durch die Stadt. Wir feierten ausgelassen! Bis eine Idee des Fahrers selbigen in wilde Spasmen ausbrechen lies. Diese übertrugen sich hauptsächlich auf das Lenkrad. Wir hielten vor einer Kneipe. Unverständliches brabbelnd deutete der Fahrer auf die Tür. Ich als Psychologe erkannte sofort, dass er begeistert sein musste. Doch gerade als ich das Fahrzeug verlassen wollte, wurde ich abrupt von einer Hand auf der Schulter gestoppt. "Wir können hier nicht halten! Das ist Zwergenland!" Ähm. Was? Wie? Zwergenland? Ich versuchte, das Acid zu finden. Vergeblich. Man meinte es also ernst. Zwergenland. Was würde mich erwarten? Ich nahm mir vor, das ganze wissenschaftlich anzugehen. Immerhin war ich im Begriff vielleicht als erster überhaupt eine andere humanoide Spezies kulturell-psychologisch zu untersuchen. Ich entschied mich für eine ethnographische Herangehensweise. Gerade so viel Wissenschaft, wie man betrunken bewerkstelligen kann.
Etwas unsicher betrat ich das Wirtshaus, in der Hoffnung nicht die Büchse der Pandora geöffnet zu haben. Noch konnte ich keine Zwergengesellschaft ausmachen. Der Eingangsbereich war ausschließlich von Menschen bevölkert. Zugegeben: Schlecht verkleidete Menschen. Aber wenn man da schon anfängt, das Menschsein abzusprechen, dann könnte sich so manch einer warm anziehen. Aber naja. Weiter also in Richtung Tanzfläche. Aha! Hier, im hinteren Bereich des Lokals, haben sie sich also eingerichtet. Wohl aus Angst vor zu großem Aufsehen. Eins war sofort klar: Hier herrschten klare Strukturen. Eine Zwergenhierarchie, die stark am jeweiligen Geschlecht orientiert schien. Zunächst einmal muss gesagt sein, dass dieser Zwergstaat (denn er beschränkte sich ja nur auf den hinteren Bereich einer Kneipe) überwiegend von Zwerginnen bevölkert schien. Um dem werten Leser einen Eindruck zu vermitteln, wie Zwerginnen beschaffen sind, habe ich mit Händen und Füßen deren Einwilligung zu einem Foto einholen können.

Zwerginnen in traditioneller Tracht

Über den vielen Zwerginnen tronte der Eine. Der König. König der Zwerge. Seltsamerweise der einzig männliche Zwerg. Ausgestattet mit den königlichen Insignien (goldene Halskette + goldenes Armband) schien er weise und gerecht zu regieren. Er kümmerte sich um jede seine Untertaninnen und zeigte ihnen seine Wertschätzung. Hauptsächlich, indem er vor jeder einzelnen, in einem geschickt ausgeklügelten Rotationssystem, eine Art Tanz aufführte. Hierzu hielt er beide Arme in die Luft, ging ein wenig in die Knie und ließ seine Hüfte immer wieder nach vorne stoßen. Ein Schmunzeln verbot ich mir. Schließlich handelte es sich um die wohlmöglich heiligen Rituale einer fremden Rasse. Respekt war also geboten. Nach einer eher oberflächlichen Beobachtung wagte ich den nächsten Schritt meiner kleinen ethografischen Studie. Ich versuchte Kontakt aufzunehmen. Ich musste einfach mehr über diese eigenartigen Wesen erfahren. Ein paar nahebei stehende Zwerginnen schienen besonders offen für Kontakte außerhalb ihrer Rasse. Ich sprach sie an. Nach anfänglichen Problemen begann ich dann langsam ihre recht simple Kommunikationsform zu vestehen. Doch nun passierte Seltsames. Die Zwerginnen behaupteten aus Spanien zu stammen. Spanien?? Nun gut. Wahrscheinlich versuchten sie so ihre geringe Körpergröße zu erklären bei gleichzeitiger Geheimhaltung ihrer wahren Herkunft. Um auf ein Thema zu kommen, was mich wirklich interessierte, fragte ich sie nach ihrer Arbeit in spanischen Zwergenminen. Ein wenig unvorsichtig geworden, wollte ich gleich wissen, ob ihr Äußeres der schweren Arbeit geschuldet sei. Ich begang wohl einen Fehler. Denn mit empörten Lauten riefen sie den König herbei. Dieser sprengte gleich heran und baute sich in seiner vollen Kleine vor mir auf. Schuldbewusst tat ich die Vorwürfe als interkulturelles Missverstädnnis ab und fragte ihn, ob er als König arbeiten gehe. Natürlich, sagte er. Sogar mehr als andere. In seiner Heimat sei niemand arbeitslos. Das gelte als große Schande und sei nur den Krüppeln erlaubt. Ich entschloss mich, meine eigene Erwerbstätigkeit nicht zu erwähnen, um seinen Respekt nicht zu verspielen. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Denn genau die in Deutschland so verpönte wie weit verbreitete Arbeitslosigkeit war genau der Grund für den Besuch der Zwergengruppe, wie der König mir offenbarte. Hier, so sagte er, könne sich der Mensch, respektive der Zwerg, noch frei entfalten. Zeit, Müßiggang, Lenz, Trägheit. All das verhelfe erst zu wahrer kultureller Größe. Ich war erstaunt. Machte er sich über mich lustig? War das ein ausgebuffte Zwergentaktik, um wahre Arbeitslose aus der Reserve zu locken? Ich wagte den Vorstoß und offenbarte mich. Der König brach in Begeisterung aus. Welch großen Geist er vor sich habe, wollte er wissen. Mit welchen philosophischen Themen ich mich beschäftige. Wie viel ich am helligten Tag schliefe. Wieviel Bier ich tränke. Und weitere, ähnliche Fragen. Langsam verstand ich die Argumentation des Königs. Der, dessen Geist nicht auf vorgegebene Ziele, nicht auf Gewinnmaximierung, nicht auf Verkauf, nicht auf das Wohl eines abstrakten Konstruktes namens Unternehmen gerichtet ist, ist wirklich frei. Frei für alles, was er oder sie will. Neue Wege können beschritten, Horizonte aufgebrochen werden. Denn der arbeitslose Geist ist frei. Und eben hieraus entsteht kulturelles Wachsum, was so wichtig ist für eine Gesellschaft.

Noch lange zechte und feierte ich mit der Zwergengruppe. Als sich der König und Zwerginnen sich von mir verabschiedeten, rang mir der König noch das Versprechen ab, in regem Kontak mit ihm zu verbleiben. Er wollte mehr erfahren. Und ich ebenso.

1 Kommentar:

  1. nun, ich würd´ gern die wahre Geschichte derer hören. Vielleicht heute abend bei einem Bier, oder zweien.
    Photoshop oder Fasching? Schönheitschirurg oder Maskerade? Das Bild, welches die Zwerginnen zeigt, wie schauten sie wirklich aus?

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