Besonders spannend sind Situationen, in denen Menschen negativ aneinander geraten. Ist man selber betroffen, fällt einem leider erst hinterher der passende Spruch ein. Zu oft denkt man: „Ach hätte ich doch bloß … gesagt!“.
Für den Fall, dass jemand unfreundlich zu mir ist, habe ich mir etwas vorgenommen. Ich möchte meinem unfreundlichen Gegenüber erst ein Kompliment machen, ihm dann aber mitteilen, dass sein Verhalten sehr unfreundlich ist. Punkt. Darauf sollen die Rüpel dieser Welt erstmal reagieren. Die Idee finde ich gut und heute konnte ich sie zum ersten Mal anwenden. Und das trug sich folgendermaßen zu.
Der Platzmann
Mit zwei Taschen und einem vollgestopften Rucksack besteige ich die Straßenbahn. Ich setze mich auch einen 2er und da vor meinen Füßen kein Platz ist, nehme ich beide Taschen auf den Schoß und stelle den Rucksack auf den leeren Sitz. In diesem Moment ahne ich es schon: die Frechheit, gleich zwei Sitzplätze zu beanspruchen, bleibt nicht ungesühnt. Selbstbewusst, mit meinem kleinen Trick in der Hinterhand, warte ich lässig ab. Ich fahre also einige Haltestellen und plötzlich ist es so weit:
Ein etwas älterer Mann betritt die Straßenbahn, geht zielstrebig auf meinen 2er zu und fuchtelte wild mit den Armen. Er will mir begreiflich machen, dass er sich genau dort hinsetzen möchte, wo mein Rucksack steht.
Ich (mit normalem Tonfall): Das wird schwierig… (Ich nehme meinen Rucksack vom Sitz und stelle ihn davor ab.)
Mann (gereizte Stimme): Sie haben den Platz nicht gepachtet, ich will mich hier hinsetzen, machen Sie Platz!
Der Mann setzt sich auf den von mir freigeräumten Platz. Aha! Jetzt kann ich endlich meinen Trick anwenden.
Ich (schaue dem Mann genau in die Augen.): Also obwohl Sie eine sehr schöne Jacke anhaben, finde ich Sie sehr unfreundlich!
Mann: Und Sie sind ganz schön frech!
Ich: Najaa.
Mann: Ich habe für diesen Platz bezahlt! Ich will hier sitzen. (Das denkt er, weil er in Besitz einer Fahrkarte ist.)
Ich (weise auf mehrere freie Plätze in der Nähe.): Aber vielleicht haben Sie auch für diese Plätze da hinten, oder den, der da gerade frei wird, bezahlt?
Mann (immer gereizter): Nein! Ich habe für den Platz bezahlt. Ihr Rucksack hat nicht dafür bezahlt, hier zu stehen!
Ich (nach wie vor mit ruhiger Stimme): Ähm, doch. Dort steht: „Mitnahme von Gepäck und Tieren“. (Ich weise auf die Tafel der Mitnahmebestimmungen für Gepäck und Tiere. Gepäck darf kostenlos mitgeführt werden.)
Mann: Ach reden Sie sich nicht heraus und seien Sie still!
Ich: Ich rede mich nicht heraus, das steht da.
Mann: Grummel, grummel, grummel.
Ich: Aber wenn Sie das so nicht stört, ist ja in Ordnung. (Man bedenke, der Rucksack steht ja wegen des Platzmangels vor seinen Füßen.)
Der Mann sagt nichts mehr. Ich drehe mich zum Fenster und freue mich, dass ich meinen Trick das erste Mal erfolgreich angewendet habe. Ich bin nicht, wie so oft, sprachlos geblieben und habe mich nicht einfach der Unfreundlichkeit dieses Mannes gebeugt. Nein, ganz im Gegenteil, er machte sich lächerlich, da er auf einen Platz bestand, obwohl es noch viele andere freie Plätze gab.
Wir sitzen schweigend nebeneinander, er mit meinem Rucksack vor den Füßen und ich zufrieden und nachsinnend: „Was gebe ich ihm nur mit auf den Weg, wenn ich gleich aussteige? Welche Botschaft soll er heute mit nach Hause nehmen? Welche Lehre soll auf seine Unfreundlichkeit folgen?“
Ich erreiche meine Haltestelle, befreie mich aus der Sitzposition, stehe auf und verabschiede mich vom Platzmann:
Ich: Ich hoffe, Sie werden glücklich!
Mann: Grummel, grummel. (Undeutliche Antwort.)
Da schaltet sich ein Mädchen ein, das uns wohl schon vorher beobachtet hat.
Mädchen (in die Richtung meines Sitznachbarn): Jetzt hören Sie aber mal auf, ey. Das ist ja wohl echt das Letzte!
Ich: Hat er was gesagt?
Mädchen (zitiert den Mann): „Hirn lässt grüßen.“ (und fährt wütend fort:) Also andere zu beleidigen, da hört es ja wohl auf!
Ich (zu meinem Sitznachbarn): Aaaach, Hirn hab ich genug. Ich grüße zurück!
Ich verlasse triumphierend die Straßenbahn.
Ich verlasse triumphierend die Straßenbahn.
Von dieser Begegnung habe ich viel gelernt. Man darf Unfreundlichkeiten nicht hinnehmen. Selbst muss man natürlich dem Drang widerstehen, aus dem Wald so herauszuschallen, wie es vorher hineinrief. Immer schön freundlich bleiben und Dinge sagen, die man sich für solche unfreundlichen Menschen zurecht gelegt hat.
Die Folge: man ist nicht verwirrt und kann dementsprechend weiter „cool“ reagieren.
Die Folge: man ist nicht verwirrt und kann dementsprechend weiter „cool“ reagieren.
Ich freue mich jedenfalls schon auf den nächsten Mitmenschen, der von mir zu hören bekommt:
„Also Ihre Schuhe sind ja wirklich toll, aber dass Sie mich schubsen ist wirklich unfreundlich, oder?! “
wer hat das von euch wo erlebt? Dresden oder Osnabrück? Gibt es in Osnabrück überhaupt eine Straßenbahn?
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