Mittwoch, 23. Februar 2011

Gratis Kultur

Wer es geschickt anstellt, kann auch ohne Geld viel Kultur erleben. Nicht nur die normale Kultur wie Kino, Schrammel-Konzerte oder kostenlose Museen. Nein, mit solch einfacher Kultur gebe ich mich nicht zufrieden! Ich möchte echte, wahrhafte Kultur. Und gefunden werden kann diese in der Berliner Philharmonie während der Lunchkonzerte.

Jeweils Dienstag kann man "um 13 Uhr im Foyer der Philharmonie Kammermusik auf höchstem Niveau bei freiem Eintritt und gutem Essen" genießen. So steht es auf der Website und so war es auch. Doch die Veranstaltung eignet sich auch hervorragend für (die von mir als Psychologe so geliebten) Sozialstudien. Menschen aller Art und Schichten treffen hier aufeinander. Es gibt die alten Damen und Herren im Pelz, andere Arbeitslose in unauffälliger Kleidung oder im Jogginganzug, kleine Kinder mit ihren umweltbewussten Eltern, jede Menge Null-Bock-Schüler, Studenten und Touristen aus allen Herren Länder. Ein Mal durch die Gesellschaft geschaufelt, von allem was dabei!

Die Musik war natürlich von höchster Qualität, wenn auch nicht immer ganz nachvollziehbar. Ich bin kein musikalischer Laie, aber manche Tonfolgen erschlossen sich mir nur schwer. Während dieser „Pausen“ betrachtete ich das Publikum und sah Erstaunliches: gerade, wenn die Töne besonders disharmonisch aufeinander prallten, begannen sich doch tatsächlich einige Zuschauer zu bewegen. Wahnsinn, das waren echte Kenner! Oder nicht? Müssten sich Experten nicht auch passend und im Rhythmus zur Musik bewegen? Ihre Bewegungen schienen harmonisch und ausgewogen, die Klänge jedoch experimentell und dissonant. Ich dachte nicht weiter nach und suchte andere interessante Menschen.

Im hinteren Teil des Foyers kamen gerade mehrere Touristen zu spät. Zuspätkommer sind meistens interessant, da sie bei den schon Anwesenden häufig negative Reaktionen hervorrufen. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Und tatsächlich, als die Touristen ihre Kameras zückten, um schnell das ein oder andere Erinnerungsfoto zu schießen, wurde ein alter Herr aktiv. Wild in Richtung Touristen gestikulierend, setzte er das Recht der Berliner Philharmonie durch: Fotografieren war hier NICHT ERLAUBT! Die Touristen waren irritiert, der alte Herr zufrieden!

Da änderte sich das Musikstück. Die modernen und experimentellen Klänge wandelten sich wieder in, für meine Ohren, Verständliches. Ich wendete meine Aufmerksamkeit wieder den Musikern zu und freute mich, so viel Spaß für gar kein Geld erleben zu können.

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